Der erste amtliche Leitsatz des Urteils lautet:
„Das Anerkenntnis der Leistungspflicht in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist auch hinsichtlich der bei der Beurteilung zugrunde gelegten maßgeblichen bisherigen Berufstätigkeit des Versicherten bindend. Bei einer späteren Leistungseinstellung wegen konkreter Verweisung ist der Versicherer gehindert, der Vergleichsbetrachtung einen abweichenden Bezugsberuf zugrunde zu legen.“
Zum Fall
Der Kläger (der Versicherte) hatte eine dreijährige Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel abgeschlossen und war darauf ab dem 1.7.2008 angestellt als kaufmännischer Trainee im Rahmen des Führungsnachwuchsprogramms der Firma. Sein Arbeitsverhältnis endete auf eigenen Wunsch zum 31.8.2010.
Nach verschiedenen, jeweils abgebrochenen Studiengängen war der Kläger ab dem 16.6.2014 über eine Zeitarbeitsfirma als Produktionshelfer in einem metallverarbeitenden Betrieb tätig. Nach eigenen Angaben hatte er diese Tätigkeit jedoch nur 1,5 Wochen ausgeübt, dann aufgrund psychischer Probleme abgebrochen und sich in stationäre Behandlung begeben.
Am 7.10.20214 stellte der Kläger einen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Versicherung veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch einen Professor für Psychiatrie. Dieser führte im Gutachten vom 11.4.2016 aus: „Die beschriebene schwere psychopathologische Symptomatik macht nach aller klinischer Erfahrung dem Versicherten eine Tätigkeit als Groß- und Außenhandelskaufmann unmöglich ...“
Unter Bezug auf dieses Gutachten erkannte die Versicherung mit Schreiben vom 22.4.2026 ihre Leistungspflicht ab dem 1.1.2026 an.
Nachdem der Kläger zum 1.6.2018 aber eine Tätigkeit bei einem Sicherheitsdienst aufgenommen hatte, erklärte die Versicherung die Einstellung ihrer Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit konkreter Verweisung auf diese Tätigkeit, wobei – im Vergleich zur früheren Tätigkeit als Produktionshelfer – sogar eine Steigerung des Einkommens vorliege.
Dagegen erhob der Versicherte Klage.
Diese Einstellung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung war nicht rechtens, erklärte das OLG:
· Die Anerkenntnis der Leistungspflicht vom 22.4.2026 hatte zu einer Selbstbindung des Versicherers geführt. Da sich der Versicherer dabei auf das von ihm eingeholte psychiatrische Gutachten bezogen hatte, welches sich ausdrücklich und ausschließlich auf die Tätigkeit als Groß- und Einzelhandelskaufmann bezog, war der Versicherer daran gebunden.
· Die neue Tätigkeit als Mitarbeiter bei einem Sicherheitsdienst entspricht nicht der Lebensstellung des Klägers in seinem früheren Beruf als Groß- Außenhandelshandelskaufmann, zumal im Rahmen eines Trainees des Führungsnachwuchsprogramms. Dies ergibt sich bereits im Vergleich der jeweils erzielten Einkommen als auch hinsichtlich der Wertschätzung und des persönlichen Ansehens, welches der Beruf als solcher verleiht.
· Zudem konnte die (nach unbestrittenen Angaben des Klägers) nur über etwa 1,5 Wochen ausgeübte Tätigkeit als Produktionshelfer in einem metallverarbeitenden Betrieb nicht als neuer Beruf angesehen werden, da sie die Lebensstellung nicht ausreichend prägen konnte.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden