Leitsätze:
Der Umstand, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen der von ihm ausgeübten ärztlichen Tätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern einer privaten Krankenversicherung Behandlungsleistungen erbracht und abgerechnet hat, begründet für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn in einem Rechtsstreit zwischen einem anderen Versicherungsnehmer und der Krankenversicherung die medizinische Notwendigkeit und Abrechenbarkeit entsprechender Behandlungsleistungen beurteilt werden muss. Nur bei Hinzutreten weiterer, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen in Frage stellender Umstände kann die Annahme eines Ablehnungsgrunds gerechtfertigt sein.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München - 25. Zivilsenat - vom 30.8.2018 - 25 W 937/18 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt bis 3.000 €.
Aus den Gründen:
I.
Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Bestrahlungstherapie im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsverhältnisses. Im Zusammenhang mit der Behandlung eines Mammakarzinoms führte die Streithelferin bei der Klägerin eine intensitätsmodulierte Radio- und Strahlentherapie (IMRT) durch und berechnete diese - einer Empfehlung der Bundesärztekammer folgend - in analoger Anwendung der für eine intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen (IORT) geltenden Nummer 5855 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Die beklagte Versicherung hat die medizinische Notwendigkeit der IMRT-Behandlung bestritten und vertritt zudem die Auffassung, die IMRT-Behandlung könne nicht analog Nummer 5855 GOÄ abgerechnet werden, da sie mit der IORT-Therapie nicht gleichwertig im Sinne des § 6 Abs. 2 GOÄ sei.
Das Landgericht (LG) hat die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens unter anderem zu der Behauptung der Klägerin angeordnet, die bei ihr durchgeführten IMRT-Behandlungen seien nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig mit einer intraoperativen Strahlenbehandlung mit Elektronen. Zum Sachverständigen wurde Prof. Dr. M. F. bestimmt, der Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie eines Universitätsklinikums ist.
Der Beklagte hat den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Sachverständige habe in den Jahren 2015 und 2016 als behandelnder Arzt bei drei nicht am Rechtsstreit beteiligten Versicherungsnehmern des Beklagten IMRT-Behandlungen durchgeführt und diese in der streitgegenständlichen Weise nach Nummer 5855 GOÄ analog in unbeschränktem Umfang abgerechnet. Die Rechnungen des Sachverständigen habe der Beklagte den Versicherungsnehmern unter Geltendmachung derselben Einwendungen wie im jetzigen Prozess nur gekürzt erstattet.
Das Ablehnungsgesuch hatte vor dem LG keinen Erfolg. Die dagegen geführte sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Mangels Bestimmung des zuständigen Rechtsbeschwerdegerichts durch das OLG (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO) konnte der Beklagte das Rechtsmittel nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz fristwahrend sowohl bei dem Bundesgerichtshof als auch bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht einlegen (vgl. BGH, Urteil vom 20.1.1994 - I ZR 250/91, NJW 1994, 1224; BGH, Beschluss vom 4.5.2005 - XII ZR 217/04, NJW-RR 2005, 1230; jeweils mwN). Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus § 8 Abs. 2 EGGVG, da ausschließlich Bundesrecht Anwendung findet.
2. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Eine Besorgnis der Befangenheit folge nicht schon daraus, dass der Sachverständige im Rahmen der von ihm ausgeübten ärztlichen Tätigkeit selbst IMRT-Behandlungen erbringe und diese - entsprechend einer Empfehlung der Bundesärztekammer - nach Nummer 5855 GOÄ analog abrechne. Daran ändere auch der besondere Umstand nichts, dass der Beklagte drei IMRT-Behandlungen betreffende Rechnungen des Sachverständigen gegenüber anderen Versicherungsnehmern nur gekürzt erstattet habe. Die erforderliche Sachkunde ärztlicher Sachverständiger bedinge regelmäßig die Bestellung von Ärzten, die die streitige Behandlungsmaßnahme auch selbst durchführten und in der Regel auch selbst liquidationsberechtigt seien. Der sich daraus ergebende systemimmanente Interessenkonflikt könne nicht dem Sachverständigen zugerechnet werden. Die Annahme eines „Generalverdachts“ einer einseitig am eigenen Gebühreninteresse ausgerichteten Gutachtenerstattung erscheine gerade gegenüber besonders qualifizierten ärztlichen Sachverständigen überzogen. Andernfalls würde der Kreis der qualifizierten Gutachter stark eingeschränkt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige zu den Beweisfragen nicht neutral Stellung nehmen werde, lägen nicht vor. Eine Begutachtung in eigener Sache finde nicht statt. Auch sei der Sachverständige nicht an einem Streit des Beklagten mit anderen Versicherungsnehmern beteiligt. Nach dem Gutachterauftrag habe er nur die Tatsachengrundlage zu schaffen, über die streitige Rechtsfrage der unbeschränkten Abrechnung nach Nummer 5855 GOÄ analog habe das Gericht zu befinden. Es bestehe kein vergleichbarer Interessenkonflikt, wie er bei einer „Vorbefassung“ des Sachverständigen durch Erstellung eines Privatgutachtens für die Partei eines Rechtsstreits in Betracht komme (Hinweis auf BGH, Beschluss vom 10.1.2017 - VI ZB 31/16, NJW-RR 2017, 569). Auch liege es nicht nahe, dass sich der Sachverständige, soweit er IMRT-Behandlungen gegenüber anderen Versicherungsnehmern des Beklagten liquidiert habe, dem Vorwurf einer - bewussten - Rechnungsüberhöhung allein deshalb ausgesetzt sehen könnte, weil ein Gericht auf der Grundlage seiner Begutachtung gegebenenfalls zu dem Ergebnis komme, dass bei der Behandlung von Mammakarzinomen die IMRT-Therapie nicht oder nur gedeckelt analog Nummer 5855 GOÄ abgerechnet werden könne.
3. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
a) Ein Sachverständiger kann gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 11.4.2013 - VII ZB 32/12, NJW-RR 2013, 851 Rn. 10 und vom 10.1.2017 - VI ZB 31/16, NJW-RR 2017, 569 Rn. 8; jeweils mwN).
Die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige den Gutachterauftrag in einer Weise erledigt, dass darin der Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gesehen werden kann. Dies kommt zum Beispiel dann in Betracht, wenn er den ihm erteilten Auftrag überschreitet (BGH, Beschluss vom 11.4.2013 aaO Rn. 11, 13). Aber auch bereits vor einem Tätigwerden des Gutachters wird ein Ablehnungsgrund regelmäßig zu bejahen sein, wenn der Sachverständige in derselben Sache für eine Prozesspartei oder deren Versicherer bereits ein Privatgutachten erstattet hat. Gleiches gilt, wenn er für einen nicht unmittelbar oder mittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einer gleichartigen Fragestellung in einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat und wenn die Interessen der jeweiligen Parteien in beiden Fällen in gleicher Weise kollidieren. Bei der Erstattung eines Privatgutachtens legt sich der Sachverständige im Auftrag einer Partei und auf der Grundlage ihrer Angaben fest, sodass die Befürchtung, er werde sich bei der gerichtlich angeordneten erneuten Begutachtung in Zweifelsfällen für ein dieser Partei günstiges Ergebnis entscheiden, nicht als unvernünftig von der Hand zu weisen ist. Zudem steht die Befürchtung im Raum, der Sachverständige werde nicht geneigt sein, bei der gerichtlich angeordneten Begutachtung einer gleichartigen Fragestellung von seinem früheren Privatgutachten abzuweichen oder sich gar in Widerspruch zu diesem zu setzen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Gefahr eines Konflikts des Sachverständigen zwischen der Rücksichtnahme auf den früheren Auftraggeber und der Pflicht zu einer von der früheren Begutachtung losgelösten, objektiven Gutachtenerstattung im Auftrag des Gerichts. Dieser Umstand ist geeignet, das Vertrauen des Ablehnenden in eine unvoreingenommene Gutachtenerstattung zu erschüttern (BGH, Beschluss vom 10.1.2017 aaO Rn. 9 f m. zahlr. wN).
b) Nach diesen Maßgaben hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass das Landgericht das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen den Sachverständigen zu Recht als unbegründet zurückgewiesen hat.
aa) Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich nicht daraus, dass der Sachverständige im Rahmen der von ihm ausgeübten ärztlichen Tätigkeit selbst IMRT-Leistungen erbracht und analog Nummer 5855 GOÄ abgerechnet hat. Die Vornahme und Abrechnung solcher Behandlungen begründet für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit. Sie trägt vielmehr dazu bei, dem Sachverständigen die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderliche Sachkunde zu vermitteln. Nur bei Hinzutreten weiterer, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen in Frage stellender Umstände kann die Annahme eines Ablehnungsgrunds gerechtfertigt sein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.10.2017 - I-4 W 19/17, juris Rn. 10). Daran fehlt es hier.
(1) Bei der Auswahl von ärztlichen Sachverständigen sind die Gerichte gehalten, sich solcher Gutachter zu bedienen, die über die erforderliche medizinische Fachkompetenz und damit auf dem einschlägigen Fachgebiet über eine Spezialausbildung und Erfahrung verfügen (vgl. BGH, Urteile vom 3.6.2008 - VI ZR 235/07, NJW-RR 2008, 1380, 1381 Rn. 16 und vom 10.7.2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964, 2965 Rn. 15; jeweils mwN). Übt ein medizinischer Sachverständiger - wie fast immer - selbst eine ärztliche Tätigkeit aus, geht mit seiner gerichtlichen Bestellung zum Gutachter häufig einher, dass er Sachverhalte beurteilen muss, die seine eigene berufliche Tätigkeit betreffen. Dies gilt nicht nur für haftungsrechtliche, sondern auch für gebührenrechtliche Fragestellungen, wenn er zugleich liquidationsberechtigter Arzt ist. Würde allein eine solche typische fachliche Vorbefassung bereits die Befürchtung der Parteilichkeit rechtfertigen, hätte dies zur Folge, dass die Prozessparteien einen Sachverständigen jedenfalls auf dem Fachgebiet, in dem er beruflich tätig und liquidationsberechtigt ist, stets wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen könnten. Damit stünden gerade diejenigen Sachverständigen nicht mehr zur Verfügung, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vornehmlich als Gutachter berufen sind.
(2) Soweit die Rechtsbeschwerde Sachverständige im Ruhestand und Sachverständige aus dem deutschsprachigen Ausland als gleichwertige Alternativen ins Spiel bringt, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Es erscheint durchaus zweifelhaft, ob ein Sachverständiger im Ruhestand stets die erforderliche Sachkunde noch aufweist. Denn er ist möglicherweise mit dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr vertraut, sodass andere Sachverständige inzwischen über überlegene Forschungsmittel und neuere Erkenntnisse verfügen (vgl. BGH, Urteil vom 19.5.1987 - VI ZR 147/86, NJW 1987, 2300, 2301). Bei der Beauftragung eines im Ausland tätigen Sachverständigen kann sich die Frage einer beruflichen Vorbefassung, die für sich allein die Ablehnung ohnehin nicht rechtfertigt, in gleicher Weise stellen, wenn der Sachverständige selbst ärztliche Leistungen erbringt und sich insoweit die Problematik ergibt, wie neuartige Behandlungsmethoden auf der Grundlage einer nationalen Gebührenordnung oder eines sonstigen Tarifsystems abzurechnen sind (z.B. Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom 14.7.2011 - 9C 252/2011). Es kommt hinzu, dass Beweisaufnahmen im Ausland häufig eine geringere Ergiebigkeit aufweisen und zudem das Risiko beträchtlicher Verfahrensverzögerungen mit sich bringen (vgl. § 363 ZPO). Daraus können erhebliche nachteilige Folgen insbesondere für die beweisbelastete Partei resultieren (vgl. BGH, Urteil vom 24.4.1980 - IX ZR 30/79, MDR 1980, 931, 932 = juris Rn. 13 f; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 363 Rn. 4).
bb) Der vom Beklagten hervorgehobene Umstand, dass der Sachverständige in den Jahren 2015 und 2016 bei drei nicht am hiesigen Verfahren beteiligten Versicherungsnehmern des Beklagten IMRT-Behandlungen in der streitgegenständlichen Weise abgerechnet und der Beklagte diese Rechnungen mit denselben Einwendungen wie im vorliegenden Rechtsstreit nur gekürzt erstattet hat, stellt keinen zusätzlichen Gesichtspunkt dar, der die Besorgnis der Befangenheit begründet.
(1) Diese Konstellation ist mit der Erstellung eines entgeltlichen Privatgutachtens für einen Dritten nicht vergleichbar. Die Abrechnung der erbrachten IMRT-Leistungen entsprach der bereits im Jahre 2011 öffentlich bekannt gegebenen Empfehlung der Bundesärztekammer zur generellen Analogiefähigkeit der Nummer 5855 GOÄ bei IMRT-Behandlungen und war nicht Ausdruck einer Vorfestlegung des Sachverständigen zugunsten einer Partei. Der Gutachter erhielt sein Honorar vom Patienten für eine erbrachte ärztliche Behandlung und nicht für die sachverständige Beantwortung einer Fachfrage, die er nunmehr als gerichtlich bestellter Sachverständiger erneut beantworten müsste. Es liegt mithin lediglich eine typische fachliche Vorbefassung des Sachverständigen vor, der zugleich liquidationsberechtigter Arzt ist, zu der weitere Umstände hinzutreten müssten, um eine Besorgnis der Befangenheit begründen zu können. Folglich steht auch nicht die Befürchtung im Raum, der Sachverständige werde nicht geneigt sein, bei der gerichtlich angeordneten Begutachtung von einer früheren Festlegung abzuweichen oder sich gar in Widerspruch zu dieser zu setzen.
Dass der vom Landgericht bestellte Sachverständige durchaus bereit ist, sich trotz der eigenen Abrechnungspraxis ergebnisoffen und kritisch mit den im Beweisbeschluss des Landgerichts formulierten Fragen auseinanderzusetzen, wird auch durch den Umstand belegt, dass er in einem früheren, im Auftrag des Landgerichts T. erstatteten und von dem Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegten Gutachten ausgeführt hat, nicht jede in Rechnung gestellte IMRT-Behandlung eines Mammakarzinoms sei tatsächlich nach Art, Kosten- und Zeitaufwand mit einer IORT-Behandlung vergleichbar und daher nach Nummer 5855 GOÄ analog abrechenbar. Es seien vielmehr die im Einzelfall geplanten und durchgeführten Maßnahmen zu beurteilen.
(2) In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass der Sachverständige im vorliegenden Fall - anders als bei einem entgeltlichen Privatgutachten - nicht über die Berechtigung der geltend gemachten Honorarforderung im Hinblick auf die unbeschränkte Abrechnung der IMRT-Leistungen analog Nummer 5855 GOÄ befinden soll. Nach dem Inhalt des Beweisbeschlusses ist Gegenstand der sachverständigen Begutachtung lediglich die Frage, ob die bei der Klägerin durchgeführte IMRT-Behandlung nach Art, Kosten- und Zeitaufwand mit der von der Nummer 5855 GOÄ erfassten ärztlichen Leistung (IORT-Behandlung) in tatsächlicher Hinsicht vergleichbar ist. Hierzu hat das Landgericht dem Sachverständigen im Beweisbeschluss nähere Vorgaben gemacht, wonach er Ablauf, Umfang und Wirkungsweise der beiden Behandlungsmethoden darzustellen und untereinander zu vergleichen und sich darüber hinaus mit den im Verfahren vorgelegten anderen gutachterlichen und ärztlichen Stellungnahmen sachlich auseinanderzusetzen hat. Damit hat der Sachverständige, der an den Gutachterauftrag und die darin enthaltenen Fragestellungen und Weisungen gebunden ist (§ 404a ZPO), lediglich die Tatsachengrundlage zu schaffen, anhand derer das Gericht sodann die maßgebliche rechtliche Bewertung, ob von einer „gleichwertigen Leistung“ im Sinne des § 6 Abs. 2 GOÄ und einer Analogiefähigkeit der Nummer 5855 GOÄ auszugehen ist, selbst vornimmt. Der Sachverständigenauftrag erschöpft sich darin, die tatsächlichen Umstände, die für und gegen eine Vergleichbarkeit sprechen, zu ermitteln und darzustellen. Das ist dem Sachverständigen unparteiisch auch dann möglich, wenn er selbst im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit - nach jeweiliger Prüfung der Gleichwertigkeit im Einzelfall - in einer bestimmten Weise abrechnet. Die rechtliche Bewertung der Berechtigung einer Gebührenforderung obliegt weiterhin allein dem Gericht und ist von der Tatsachengrundlage, die der Sachverständige begutachtet, zu trennen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.10.2017 - I-4 W 19/17, juris Rn. 13).
cc) Eine Besorgnis der Befangenheit lässt sich auch nicht mit der vom Beklagten geltend gemachten Befürchtung begründen, der Sachverständige setze sich dem Vorwurf der überhöhten Rechnungsstellung und damit etwaigen Regressforderungen der von ihm behandelten Patienten aus, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Begutachtung zu dem Ergebnis komme, dass die Nummer 5855 GOÄ nicht oder nur beschränkt anwendbar sei. Vor dem Hintergrund eines möglichen Konflikts des Sachverständigen zwischen seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen und der Pflicht zu einer objektiven Gutachtenerstattung könnte er versucht sein, gegen die Vergleichbarkeit der Behandlung sprechende Umstände „herunterzuspielen“ oder gar „unter den Tisch fallen“ zu lassen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.3.2018 - 14 W 15/18, juris Rn. 14).
Bei einem eigenen - sei es auch nur mittelbaren - wirtschaftlichen Interesse am Ausgang des Rechtsstreits kann zwar Anlass zu der Befürchtung bestehen, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 3.11.2014 - X ZR 148/11, juris Rn. 4 f; siehe auch BGH, Beschluss vom 24.11.2014 - BLw 2/14, MDR 2015, 608 Rn. 3 und RGZ 7, 311, 312 f jeweils zur Richterablehnung). Ob dies anzunehmen ist, entzieht sich jedoch einer schematischen Betrachtungsweise und kann nur auf Grund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Die gebotene Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände führt im Streitfall dazu, dass kein Ablehnungsgrund vorliegt.
Allein der Umstand, dass das Gericht nach der Bewertung der konkreten Behandlungsmaßnahmen auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen die Abrechenbarkeit nach Nummer 5855 GOÄ im Streitfall möglicherweise verneint, begründet noch nicht den Vorwurf der überhöhten Rechnungsstellung gegenüber anderen Versicherungsnehmern des Beklagten. Denn jede IMRT-Behandlung muss, wie das von dem Beklagten selbst vorgelegte Gutachten in dem Verfahren vor dem Landgericht T. belegt, gesondert beurteilt werden. Dementsprechend führt die Verneinung der Vergleichbarkeit in einem Verfahren nicht zwangsläufig zu der Annahme, dass die Abrechnungen des Sachverständigen gegenüber anderen Versicherungsnehmern gegen die Grundsätze der Gebührenordnung für Ärzte verstoßen. Darüber hinaus haben die von dem bestellten Sachverständigen in den Jahren 2015 und 2016 behandelten Versicherungsnehmer des Beklagten bislang keine Rückforderungsansprüche gegenüber dem Sachverständigen geltend gemacht noch sind sie gerichtlich oder außergerichtlich gegen die Leistungsabrechnungen des Beklagten vorgegangen. Es ist auch nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass mit einer rechtlichen Auseinandersetzung vor Eintritt der Regelverjährung (§ 195 BGB) noch zu rechnen sein könnte. Ferner trifft die Annahme des Beklagten nicht zu, eine von dem Versicherer nur anteilig erstattete Rechnung über ärztliche Leistungen führe zwangsläufig dazu, dass der Versicherungsnehmer die korrekte Berechnung des ärztlichen Honorars in Zweifel ziehe und daher eine Auseinandersetzung zwischen Arzt und Versicherungsnehmer wahrscheinlich sei. Denn die Honorarforderung eines Arztes kann auch dann berechtigt sein, wenn diese gegenüber dem Versicherer ganz oder teilweise nicht erstattungsfähig ist. Die privatärztlichen Honoraransprüche und die Leistungsansprüche des Patienten gegenüber seiner privaten Krankenversicherung müssen nicht gleichlaufen, zumal die Frage der Erstattungsfähigkeit auch davon abhängt, welchen Krankheitskostentarif der Versicherungsnehmer vereinbart hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2017 - I-4 W 19/17, juris Rn. 16).
c) Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung ein die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigender Grund in Fällen angenommen wurde, in denen ein Sachverständiger ärztliche Leistungen für einen Dritten erbracht hat und hierüber ein gesonderter Rechtsstreit (parallel) geführt wurde (z.B. OLG Köln, r+s 1999, 438; OLG Hamm, Beschluss vom 28.4.2017 - 29 W 9/17, juris Rn. 10; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 7.7.2017, juris Rn. 13; siehe auch OLG München, Beschluss vom 22.122015 - 21 W 1921/15 zu dem Fall, dass der Sachverständige einen Parallelprozess gegen seinen Patienten initiiert), kann dahinstehen, ob dem im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls in dieser Allgemeinheit gefolgt werden kann. Denn im vorliegenden Fall sind die von dem Sachverständigen gegenüber Versicherungsnehmern des Beklagten erbrachten und nach Nummer 5855 GOÄ abgerechneten IMRT-Behandlungen nicht Gegenstand eines gesonderten Rechtsstreits.
Nach alledem ist dem Beschwerdegericht darin zuzustimmen, dass die Abrechnung von IMRT-Behandlungen analog Nummer 5855 GOÄ durch den Sachverständigen gegenüber Versicherungsnehmern des Beklagten die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigt.
Redaktionell überarbeitete Fassung
eingereicht von P. Becker, Kassel