Das Reizdarmsyndrom ist eine multifaktorielle Erkrankung. Daher ist die Therapie multimodal und symptomorientiert, jedoch nicht kausal, erklärte Miriam Goebel-Stengel von der Helios Klinik Rottweil, Innere Medizin II, auf dem Kongress „Viszeralmedizin 2019“ vom 2. bis 5. Oktober 2019 in Wiesbaden:
Problematisch sind dagegen Behandlungen mit alternativmedizinischen Methoden wie Akupunktur und Rezepturen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM): Zwar haben sich Handakupunktur, Moxatherapie und Elektroakupunktur in Studien teilweise effektiver als Spasmolytika oder Loperamid gezeigt. Allerdings zeigt eine Meta-Analyse, dass alle Akupunkturstudien nicht adäquat verblindet waren. Bei TCM-Präparaten stellt sich z. B. auch die Frage nach der Reinheit und Zusammensetzung.
In der neuen, z. Z. des Vortrags noch nicht veröffentlichten S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom wird daher für Akupunktur und TCM-Rezepturen eine offene Empfehlung ausgesprochen. „Bei Versagen schulmedizinischer Ansätze ist fast alles möglich“, so Goebel-Stengel abschließend.
Kommentar
Aus gutachtlicher Sicht ist diese Situation unbefriedigend: Es stellt sich hier nicht selten die Frage, ob Behandlungen des Reizdarmsyndrom z. B. mit Akupunktur und TCM-Rezepturen – beides recht kostspielig – als medizinisch notwendig anzusehen sind.
In solchen Fällen gilt es zunächst zu prüfen, ob das Krankheitsbild tatsächlich sachgerecht abgeklärt wurde und ob eine multimodale und individuell symptomorientierte Vorbehandlung nach schulmedizinischem Konzept durchgeführt wurde. So stehen etwa auch geprüfte Phytotherapeutika (z. B. mit Pfefferminz- und Kümmelöl) zur Therapie funktioneller dyspeptischer Beschwerden zur Verfügung.
Erst dann, wenn eine solche (ausreichend lange) leitliniengerechte schulmedizinische Therapie tatsächlich erfolglos war, kann es vertretbar sein, einen (begrenzten) Behandlungsversuch des Reizdarmsyndrom etwa mit Akupunktur als medizinisch notwendig anzusehen.
■ G.-M. Ostendorf, Wiesbaden