Der Gesundheitsschaden als Folge eines Arbeitsunfalls muss im Vollbeweis belegt sein. Aufgabe des medizinischen Sachverständigen ist – nach ständiger Rechtsprechung des Bundesssozialgerichts (BSG; aktuell vom 28.6.2022) – eine begründete und genau definierte Feststellung des konkreten Gesundheitsschadens. Dabei muss er den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand (Standardwerke, AWMF-Leitlinien) berücksichtigen und eine Diagnose nach ICD-10 bzw. – bei psychischen Störungen – nach DSM-5 stellen.
In der Regel erforderlich ist der Nachweis einer akuten Belastungsreaktion zeitnah (wenige Tage) nach dem Arbeitsunfall. Ohne den Vollbeweis eines solchen seelischen Gesundheits-Erstschadens ist als Anknüpfung der Vollbeweis von psychoreaktiven Folgeschäden (z. B. posttraumatische Belastungsstörung / Anpassungsstörung) nur schwer zu erbringen.
Nach der BSG-Rechtsprechung ist auch bei psychischen Störungen auf den Einzelfall abzustellen, so Deppermann-Wöbbeking. Eine spezielle Disposition schließe dabei die Bewertung der psychischen Störung als Unfallfolge nicht aus.
Gerd-Marko Ostendorf, Wiesbaden