Berufsunfähigkeit (bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung) setzt eine dauerhafte Einschränkung der beruflichen Fähigkeiten voraus – auch dann, wenn dies in den Versicherungsbedingungen nicht ausdrücklich angegeben ist, erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden mit Beschluss vom 12.10.2022 (AZ: 4 U 673/22), über den die Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ berichtet.
Ist eine solche Prognose nicht möglich, liegt auch bei einer gravierenden Erkrankung wie Brustkrebs keine Berufsunfähigkeit vor. Die Klägerin, bei der ein Mammakarzinom mit zwei Operationen und Strahlentherapie behandelt worden war, war nach einer Wiedereingliederung wieder als Kundenberaterin tätig. Ihre Klage gegen den Versicherer auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung war bereits vom vorher zuständigen Landgericht abgelehnt worden.
Es handelt sich, so das OLG, bei einem Mammakarzinom zwar um eine schwere Erkrankung, bei der jedoch nicht ohne weiteres von einer dauerhaften Einschränkung der Berufsfähigkeit ausgegangen werden könne. Die Diagnose Krebs führe nicht zwangsläufig zu einer dauerhaften Berufsunfähigkeit. Dem Begriff „Berufsunfähigkeit“ sei das Merkmal der Dauerhaftigkeit immanent, auch wenn es in den Versicherungsbedingungen nicht erwähnt sei.
Bei Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen komme es auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Aus dem Sinnzusammenhang der Regelung könne ein Versicherungsnehmer aber entnehmen, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht bei jeder Erkrankung, möge sie auch schwer sein und eine gewisse Zeit andauern, eintrete.
(Versicherungsrecht 74 (2023) 3: 167-168)G.-M. Ostendorf, Wiesbaden