Zwar können durch Kaubewegungen Veränderungen eines Tinnitus in Höhe und Intensität erreicht werden, was auch an lokalen anatomischen Zusammenhängen zwischen Kiefergelenk, Gehörgang und Mittelohr und damit einer Beeinflussung der Resonanzräume liegen kann. Eine tatsächliche Entstehung von Ohrgeräuschen oder gar ein Hörverlust durch Veränderungen des Kiefergelenks ist bislang jedoch wissenschaftlich nicht nachgewiesen worden.
Entsprechend führen verschieden physikalischen Therapien sicherlich zu einer Entlastung des Kiefergelenks. Dies wiederum kann das Wohlbefinden insgesamt verbessern oder es wirkt im Sinne der sog. zentralen Sensibilisierung, indem es zu einer Desensibilisierung führt.
Auf jeden Fall sollte jedoch dringend davor gewarnt werden, invasivere Eingriffe am Kiefergelenk allein wegen der Tinnitus-Belastung und einer prognostizierten Linderung des Tinnitus-Leidens vornehmen zu lassen. Viele Patienten, die eher auf somatische Ursachen ihrer Tinnitus-Belastung fixiert sind, fordern derartige Therapien an, auch wenn diese sehr invasiv sind und am Kiefergelenk selbst nur geringe Beschwerden bestehen.
Insofern ist der sog. somatosensorische Tinnitus häufig eine „therapeutische Falle“, erklärte Hesse: Wenn Patienten psychosomatische Ursachen und Therapien ablehnen, suchen sie nach rein organischen Ursachen und unterziehen sich dann manchmal „recht abenteuerlichen“ Therapien.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden