Die meisten Sportler versuchen die derzeitige Corona-Krise durch ein individuelles Training in den eigenen vier Wänden zu überbrücken, um fit zu bleiben. Bei Kontaktsportarten ist dies jedoch nur bedingt möglich, schreibt Professor Keith Stokes von der Universität in Bath/ England gemeinsam mit weiteren Experten im "International Journal of Sports Medicine". Denn neben körperlicher Fitness verlange der Sport das Trainieren von Ausweichmanövern und Kontaktsituationen. Außerdem sei es fast unmöglich, die erforderliche Spielstrategie zu üben und zu verfeinern, wenn man allein trainiere. Nicht zuletzt greife die erzwungene Trainings- und Spielpause auch die Moral der Spieler an, was sich negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirke.
Die Folgen, die sich daraus ergeben, erläutert Stokes an einem Beispiel aus dem Jahr 2011: Damals kam es in der American National Football League zu einer 20-wöchigen Spielpause als sich Vereine und Spieler nicht über die Bezahlung einigen konnten. Nach der Wiederaufnahme des Spielbetriebs nahm die Zahl der Verletzungen zu, vor allem im Bereich der Achillesferse.
Stokes und seine Kollegen befürchten nun, dass Rugbyspieler in Großbritannien, Australien und Südafrika (wo das Spiel ein Nationalsport ist) unter ähnlichen Problemen leiden könnten. Kollisionen sind ein integraler Bestandteil des Rugbyspiels, und die Spieler müssen in ausgezeichneter körperlicher und mentaler Verfassung sein, um das Risiko für Verletzungen zu begrenzen.
Die Autoren geben deshalb verschiedene praktische Ratschläge, wie sich Sportler nach Wiederaufnahme des Sportbetriebs vor Verletzungen schützen können. Dazu machen sie die folgenden Vorschläge:
Athleten sollten während der Zeit der Trainingsbeschränkung an ihren individuellen Schwächen arbeiten. Bevor das Regeltraining wieder aufgenommen wird, ist eine sportmedizinische Untersuchung sinnvoll, die den aktuellen Trainingstand sichtbar macht. Athleten, die selbst COVID-19 hatten, sollten sehr sorgfältig untersucht und umsichtig betreut werden. Kraft und Muskelmasse können bei ihnen stark beeinträchtigt sein, auch gibt es potenzielle Auswirkungen der Infektion auf das Herz. Die Wiedereingliederung in das Training erfordert deshalb einen individualisierten Ansatz. Neben den sportlichen Fähigkeiten leiden oft auch der Ernährungszustand und die psychische Verfassung der Sportler. Entsprechend müssten diese beiden Aspekte vor Wiederaufnahme des Trainings- und Spielbetriebs ebenfalls berücksichtigt werden. Die Autoren empfehlen eine eiweißreiche Kost, die gegebenenfalls durch Vitamin D und C sowie Probiotika ergänzt werden sollte. Auch weisen sie daraufhin, dass die erzwungene und abrupte Pause Sportler oft noch mehr belaste als andere Menschen. Nicht selten komme es bei ihnen zu einem „Detraining-Syndrom“ mit Schlaflosigkeit, Angstzuständen und Depressionen, das sich unmittelbar auf die körperliche Fitness auswirken und den Neustart verzögern könne.
Die Experten sind dennoch zuversichtlich, dass die meisten Spieler nach einer Vorbereitungszeit von etwa sechs Wochen wieder wettbewerbsfähig sein können. Letztlich hänge jedoch viel davon ab, wie lange die erzwungene Wettkampfpause gedauert hat und unter welchen Bedingungen der Neustart ermöglicht werde.
K.A. Stokes et al.:
Returning to Play after Prolonged Training Restrictions in Professional Collision Sports
International Journal of Sports Medicine 2020, online erschienen am 29.5.2020
Pressemitteilung Thieme.de