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OLG Hamm: Spezialisierung im Arzthaftungsrecht hat sich bewährt

Bereits in den 1970er Jahren wurde am OLG Hamm eine Spezialisierung für Verfahren auf dem Gebiet des Arzthaftungsrechts eingeführt, um den hiermit befassten Richtern zu ermöglichen, besonders Erfahrungswissen zu sammeln und aufzubauen. Heute sind mit dem 3. und dem 26. Zivilsenat des OLG Hamm zwei Senate mit dieser Spezialmaterie befasst. Die meisten Arzthaftungsprozesse in Deutschland werden heute in zweiter Instanz dort verhandelt; im Jahr 2023 waren es fast 240 Fälle.

Neben dem herausfordernden Umgang mit meist komplexen medizinischen Sachverhalten, deren Aufarbeitung durch Sachverständige von den Richtern nachvollzogen und verstanden werden muss, weist das Gebiet auch einige rechtliche Besonderheiten auf. So muss das Gericht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in besonderer Weise dafür sorgen, dass das Wissensdefizit zwischen Patienten auf der einen und Ärzten auf der anderen Seite durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen wird, damit im Prozess „Waffengleichheit“ herrscht. Hier sind oftmals weitergehende Ermittlungen des Gerichts von Amts wegen erforderlich, die der deutsche Zivilprozess sonst so nicht vorsieht.

In den letzten Jahren gewinnt das Thema der Aufklärung über die Risiken und Alternativen von operativen Eingriffen zunehmende Bedeutung. Gesetz und Rechtsprechung verfolgen hier das Bild eines mündigen Patienten, der eine informierte Entscheidung treffen kann.

Als Beispiele führte Lüblinghoff zwei aktuelle Fälle an, in denen die beklagten Ärzte und Krankenhäuser wegen Aufklärungsmängeln vor Operationen, die zu anhaltenden Beschwerden geführt hatten, ohne dass vor Gericht Behandlungsfehler nachweisbar waren, verurteilt wurden:

·         Eine 58-jährige Patientin war vor einer Operation mit Versteifung der Wirbelsäule wegen Bandscheibendegeneration vorher nicht ausreichend über die hier gegebene Alternative einer konservativen Behandlung aufgeklärt worden. Ihr wurden 50.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen und es wurde feststellt, dass sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen seien. (OLG Hamm, Urteil vom 2.2.2024, AZ: 26 U 36/23)

·         Einer 44-jährigen Patientin, die an einer fortgeschrittenen Hüftgelenksarthrose wegen Hüftdysplasie litt, war mit einer zementfreien Hüftgelenk-Totalendoprothese rechts versorgt worden. Die präoperative Aufklärung war nicht vom Operateur selbst, sondern von einem anderen Krankenhausarzt vorgenommen worden, was grundsätzlich rechtlich in Ordnung ist, so das OLG. Allerdings muss der aufklärende Arzt die Risiken der Operation bei dieser komplexen Situation aus eigener Anschauung gut genug kennen. Der hierfür eingesetzte Assistenzarzt war jedoch nicht einmal drei Wochen in dem Krankenhaus beschäftigt gewesen und hatte keinerlei Erfahrungen mit entsprechenden Operationen. Der Klägerin wurden 20.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen und es wurde feststellt, dass sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen seien. (OLG Hamm, Urteil vom 20.12.2022, AZ: 26 U 46/21)

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden

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