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Aktuelle Urteile zur Berufs-unfähigkeitsversicherung

Über zwei aktuelle Urteile zur (privaten) Berufsunfähigkeitsversicherung wird in Heft 23/2016 der Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ berichtet.

Hier für Gutachter wichtige grundsätzliche Ausführungen:

Bedeutung der konkreten Berufsausübung und der Tätigkeit an einem „Schonarbeitsplatz“

Berufsunfähigkeit im privatversicherungsrechtlichen Sinn ist ein Tatbestand, der sich nicht allein aus gesundheitlichen Komponenten zusammensetzt, erklärt das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 31.3.2016 (AZ: 7 U 149/15). Deshalb ist die Beeinträchtigung der allgemeinen Leistungsfähigkeit oder der Belastbarkeit nicht schlechthin maßgeblich.

Es geht vielmehr darum, wie sich gesundheitliche Beeinträchtigungen in einer konkreten Berufsausübung auswirken. Bei dieser Beurteilung muss bekannt sein, wie das Arbeitsfeld des betreffenden Versicherten tatsächlich beschaffen ist und welche Anforderungen es an ihn stellt (vgl. BGH vom 12.6.1996, AZ: IV ZR 116/95).

Entscheidend ist dabei, wie die Erwerbstätigkeit des Versicherungsnehmers konkret ausgestaltet war, als er unfähig wurde, sie so fortzusetzen, wie er sie in gesunden Tagen ausgeübt hat. Hinsichtlich des Eintritts der Berufsunfähigkeit kommt es darauf an, ob der Versicherungsnehmer prägende wesentliche Einzelverrichtungen seiner Tätigkeit nicht mehr ausüben kann.

Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn dem Versicherten diejenigen Tätigkeiten, die seine frühere Arbeitstätigkeit ausgemacht haben, aufgrund ihrer Komplexität sowie der körperlichen und geistigen Anforderungen nahezu nicht mehr möglich sind, und ihm ansonsten nur noch kleine frühere Tätigkeitsbereiche verbleiben, die noch ausgeübt werden können, so der Leitsatz des Urteils.

Erfolgte eine Reduzierung der Arbeitszeit einschließlich der Umstellung des Arbeitsplatzes und seiner Ausgestaltung als „Schonarbeitsplatz“ aus krankheitsbedingten Gründen (und damit leidensbedingt), kann die neu gestaltete Tätigkeit dagegen nicht Grundlage der Beurteilung der Berufsunfähigkeit sein (vgl. dazu BGH vom 30.11.1994, AZ: IV ZR 300/93). Wenn der Versicherte gerade wegen der Beeinträchtigung, die zur Berufsunfähigkeit führt, eine weniger belastende Stellung angenommen hat, ist regelmäßig auf den zuvor ausgeübten Beruf abzustellen, erklären die Stuttgarter Richter.

Nachweis einer Berufsunfähigkeit aufgrund von Schmerzen

Zur Feststellung einer mit andauernden und heftigen Schmerzen begründeten Berufsunfähigkeit nahm das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 6.9.2016 (AZ: 12 U 79/16) Stellung. Bei dem Kläger, angestellt als Fahrer und Lagerist, waren verstärkt Rücken- und Schulterschmerzen aufgetreten. Der behandelnde Orthopäde hatte dem Kläger attestiert, dass er aufgrund orthopädischer Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf auszuüben.

Die Klage auf Berufsunfähigkeit war in erster Instanz vom Landgericht abgewiesen worden. Auch die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg, da – so die Karlsruher Richter – der Kläger den ihm obliegenden Beweis eines Anspruchs auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit nicht geführt hat. Das wird folgendermaßen begründet:

Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass als Krankheit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung auch Schmerzen, deren Ursache sich nicht klären lässt, in Betracht kommen. In prozessualer Hinsicht stellt sich für den Versicherungsnehmer dort jedoch das Problem der Beweisbarkeit, da es sich bei Schmerzen und deren Ausmaß um subjektive Empfindungen handelt.

Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Feststellung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit über das Vorliegen einer Krankheit und einer damit verbundenen Unfähigkeit zur Berufsausübung hinaus eine dauerhaft ungünstige Prognose fordert, die bei unklaren Schmerzen entsprechend erschwert ist. Ggf. kommt eine vermutete Berufsunfähigkeit in Betracht, wenn die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren bisherigen Beruf auszuüben.

Den Nachweis, dass subjektiv empfundene Schmerzen objektiv die Annahme der Berufsunfähigkeit rechtfertigen, kann der Versicherungsnehmer auf zwei Wegen führen:

  1. Durch den Nachweis körperlicher (vorliegend insbesondere orthopädischer oder neurologischer) Ursachen.
  2. Durch den Nachweis psychischer bzw. psychosomatischer Bedingtheit, die ihrerseits Krankheitswert aufweisen kann, wie insbesondere eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung.

Der Nachweis körperlicher Ursachen war dem Kläger jedoch nicht gelungen (so hatte in orthopädischer Hinsicht der Sachverständige keine objektiven Anhaltspunkte für eine Berufsunfähigkeit feststellen können); psychische Ursachen machte der Kläger nicht geltend.

Dass er unter Schmerzen litt, steht dabei außer Frage, stellen die Karlsruher Richter fest. Entscheidend ist jedoch, dass sich zur Überzeugung des Gerichts objektiv feststellen lässt, dass diese Schmerzen – insbesondere nach ihrem Ausmaß – die Annahme der Berufsunfähigkeit rechtfertigen.

Dazu ist aber nicht nur erforderlich, dass die Beeinträchtigungen des Klägers über „normale“, mit der von ihm verrichteten schweren körperlichen Arbeit typischerweise verbundenen Belastungsschmerzen hinausgingen. Vielmehr hätte der Kläger darüber hinaus beweisen müssen, dass die Schmerzen nach ihrem Ausmaß einer Berufsausübung entgegenstanden und entweder prognostisch eine dauerhafte Berufsunfähigkeit erwarten ließen oder dieser Zustand zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten ununterbrochen andauerte. Das hat sich jedoch nicht objektivieren und damit auch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lassen, so das OLG.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger im zeitgegenständlichen Zeitraum von 13 Monaten tatsächlich nicht mehr in seinem früheren Beruf tätig war, sondern eine Umschulung absolvierte. Denn das beweist noch nicht, dass er durchgehend zur Ausübung des früheren Berufs unfähig war, argumentieren die Karlsruher Richter.

(Versicherungsrecht 67 (2016) 23: 1488–1492 und 1485–1486)

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden 

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