Auf dem 8. Ophthalmologie-Update-Seminar am 16. und 17. November 2018 in Wiesbaden wurden die aktuellen einschlägigen internationalen Forschungsergebnisse des letzten Jahres kompetent präsentiert und diskutiert. Dabei wurden auch neue Erkenntnisse zu Indikation, Durchführung und Komplikationen verschiedener augenärztlicher Eingriffe und Operationen angesprochen, die für den medizinischen Gutachter bei Arzthaftpflicht-Prozessen wichtig sein können.
Hier eine Auswahl:
Intraoperative Komplikationen bei der Kataraktchirurgie
Zwar hat sich die Kataraktchirurgie über die Jahrzehnte zu einem komplikationsarmen und sehr standardisierten chirurgischen Verfahren entwickelt. Aufgrund der sehr hohen OP-Zahlen in Deutschland mit 900.000 bis 1.000.000 linsenchirurgischen Eingriffen treten jedoch Komplikationen in „Normal-Kollektiven“ wie auch Risiko-Gruppen auf, erklärte Gerd U. Auffarth von der Augenklinik am Universitätsklinikum Heidelberg.
Komplikationen eines kataraktchirurgischen Eingriffes können zu allen Teilaspekten der Operation auftreten. Eine präoperative Risikoabschätzung sollte daher vor jedem Eingriff sorgfältig durchgeführt werden, ebenso eine präoperative OP-Planung bei Erkennen von okulären oder systemischen Komorbiditäten.
Risikofaktoren für die Durchführung der Katarakt-OP bestehen z. B. bei
systemischer Einnahme bestimmter Medikamente (Blutverdünnung; Prostatamedikamente (Tamsulosin „Floppy Iris Syndrom“)
chronischen entzündlichen Erkrankungen des Auges (Iritis/Uveitis vordere/hintere Synechien, Fibrinreaktionen)
Pseudoexfoliationssyndrom: Zonulainstabilität, Kapselfragilität, Pupillarsaumatrophie und enge Pupille
harter Katarakt (brunneszent, matur, hypermatur)
hohem Alter (Kapselfragilität, Zonulolyse)
hoher Myopie (Amotio-Risiko) sowie hoher Hyperopie (enge Vorderkammer, choroidales Effussionssyndrom)
Endophthalmitis nach intravitrealer operativer Medikamenteneingabe (IVOM)
Die intravitreale operative Medikamenteneingabe (IVOM) ist der am häufigsten durchgeführte augenärztliche Eingriff in Deutschland, berichtete Nicolas Feltgen von der Abteilung Augenheilkunde an der Universitätsmedizin Göttingen. In den bestehenden Empfehlungen wird die Durchführung in einem sterilen Arbeitsraum gefordert; eine zusätzliche routinemäßige Glaskörperentfernung sollte nicht erfolgen. Zudem sollten nach Möglichkeit eine Bindehautdesinfektion mit 5 % Jod durchgeführt und ein Mundschutz getragen werden.
Die Inzidenz einer Endophthalmitis nach IVOM liegt bei ca. 0,02 % für eine einzelne Injektion. Das bedeutet ein ansteigendes Risiko für eine Injektionsserie, wobei es sich nachweislich um einen linearen Zusammenhang und nicht um eine exponentielle Funktion handelt. Weiter muss zwischen einer Endophthalmitis mit und ohne Keimnachweis unterschieden werden, da die sterile Endophthalmitis auch durch lösliche Spritzenbestandteile verursacht werden kann.
Die große Gefahr der Endophthalmitis nach IVOM besteht in den (im Vergleich zur Kataraktoperation) relativ spät auftretenden klinischen Beschwerden. Im Mittel bemerken die Patienten erst nach 3 Tagen Veränderungen. Im vorderen Augenabschnitt ist dabei noch oft kein außergewöhnlicher Reiz sichtbar. In verschiedenen Analysen wurden in bis zu 30 % der Fälle Streptokokken als Erreger nachgewiesen, was meist mit einer schlechten Prognose einhergeht.
Gefäßkomplikationen bei kosmetischen Filler-Eingriffen
Berichtet wurde auch über Komplikationen bei Eingriffen in der Nähe der Augen. So erklärte Feltgen, dass kosmetische sog. Filler-Eingriffe im Gesichtsbereich weltweit verbreitet sind und dass dabei immer wieder Gefäßkomplikationen beschrieben werden, die von umschriebenen Hautnekrosen über retinale Arterienverschlüsse bis zum Schlaganfall reichen. Als Ursache wird eine versehentliche Punktion einer subkutan gelegenen Arterie beschrieben, in die dann retrograd das Füllmaterial injiziert wird.
Aus zwei aktuellen Arbeiten (1, 2) wird ersichtlich, dass bei Eingriffen in der Glabellaregion das größte Komplikationsrisiko besteht, wobei tiefere Injektionen risikoreicher sind als oberflächliche. Zudem zeigt sich, dass nach Möglichkeit immer Hyaluronsäure verwendet werden sollte und nicht autologes Fett, welches sehr viel häufiger für Komplikationen verantwortlich ist.
In Deutschland sind allerdings bisher wenig Komplikationen bekannt geworden, was dafür spricht, dass sowohl die Indikation als auch die Eingriffe adäquat und leitliniengerecht durchgeführt werden, so Feltgen.
Verätzungen des Auges: Rasche Behandlung entscheidend
Chemische Verletzungen (Verätzungen) am Auge betragen ca. 12 % bis 22 % aller okulären Verletzungen. Am häufigsten werden sie durch Laugen in ca. 60 % aller Fälle verursacht; Säuren sind zu 40 % bei Verätzungen verantwortlich. Einigkeit besteht in der Literatur (3) darüber, dass hier eine rasche Behandlung wesentlich wichtiger ist als die Wahl der Spül-Lösung, erklärte Nikolaos Bechrakis von der Universitätsklinikum Essen.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit [4] empfiehlt folgende Schritte zur akuten Behandlung chemischer Verletzungen:
- Zunächst Untersuchung und Entfernung von chemischen Partikeln und Fremdkörpern, bevor eine Spülung stattfindet.
- Anschließend Irrigation (Spülung) mit mindestens 1 bis 3 Liter(n) für mindestens 30 Minuten, bis eine pH-Normalisierung von ca. 7,5 auf der Oberfläche des Auges erzielt wird.
- Im Falle von offensichtlichen Nekrosen der Hornhaut oder der Konjunktiva sollen diese chirurgisch entfernt werden (Debridement).
Literatur
1de Lacerda D: Prevention and management of iatrogenic blindness associated with aesthetical filler injections. Dermatol Ther. 2018 Sep 25; e12722
2Urdiales-Gálvez F, Delgado NE, Figueiredo V, Lajo-Plaza JV, Mira M, Moreno A, et al.: Treatment of soft tissue filler complications: Expert consensus recommendations. Aesthetic Plast Surg. (2018), 42 (2): 498–510
3Baradaran-Rafii A, et al.: Current and upcoming therapies for ocular surface chemical injuries. Ocul Surg. (2017), 15 (1): 48–64
4Sharma N, et al., Treatment of acute ocular chemical burns. Surv Ophthalmol. (2018), 63 (2): 214–235
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden