In den letzten Jahren ist es in der Diagnostik und Therapie des komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS; früher Morbus Sudeck) zu einem Paradigmenwechsel gekommen, berichtet A. Böger (Chefarzt der Klinik für Schmerzmedizin, DRK-Kliniken Nordhessen, Kassel). Alle Ärzte sollten orientierend mit den „modifizierten Budapest-Kriterien“ zur Diagnose vertraut sein, welche v. a. auf schwer zuzuordnende Störungen der Sensibilität, Motorik und Trophik abheben. Die Diagnose ist meist mit einfachen Methoden ohne apparative Zusatzuntersuchungen zu stellen.
Für eine gute Prognose sind die rasche Diagnosestellung und eine Überweisung an einen spezialisierten Schmerztherapeuten essenziell. Die Therapie erfolgt interdisziplinär, wobei neben der Analgesie insbesondere eine Verbesserung der Funktion, v. a. durch Physio- und Ergotherapie, im Mittelpunkt steht. Invasive Verfahren sind in den letzten Jahren deutlich in den Hintergrund gerückt.
Zur Begutachtung des CRPS verweist der Autor auf die generellen Schwierigkeiten bei der Begutachtung chronischer Schmerzen, wobei die aktuelle AWMF-Leitlinie Hilfestellung gibt. Oft ergeben sich Probleme bei der Kausalitätsbewertung, da beim CRPS typischerweise ein meist banales Schädigungsereignis mit einem ausgedehnten chronifizierten Beschwerdebild kontrastiert, weswegen ein nachvollziehbarer zeitlicher Zusammenhang nachgewiesen werden muss.
Das CRPS kann sowohl unter dem Begriff „Schmerz als Leitsymptom einer Gewebeschädigung“ als auch unter „Schmerz bei Gewebeschädigung mit psychischer Komorbidität“ subsumiert werden, wobei im letzten Fall zusätzlich nach ICD-10 die Diagnose F 45.41 (chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) zu kodieren ist. Eine vorwiegend psychogene Störung wie bei der Diagnose F 45.40 (anhaltend somatoforme Schmerzstörung) muss sorgfältig abgegrenzt werden.
Zur Einschätzung der qualitativen und quantitativen Leistungseinschränkung ist keine standardisierte Empfehlung möglich, da es große interindividuelle Unterschiede zwischen verschiedenen Patienten geben kann. So sind regelmäßig ein positives und ein negatives Leistungsbild (gemäß den beruflichen Anforderungen) notwendig, welches einerseits die „über das übliche Maß hinausgehenden Schmerzen“ berücksichtigt, andererseits auf einer präzisen Analyse und Beschreibung der Beschwerden beruht.
(A. Böger: So diagnostizieren Sie frühzeitig ein komplexes regionales Schmerzsyndrom. Schmerzmedizin (2017) 33, 2: 32–36)
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden