Die gerade auch aus gutachtlicher Sicht wichtige Frage, welche Methoden der physikalischen Medizin im Therapiekonzept rheumatischer Erkrankungen sich als effektiv erwiesen haben (und somit als medizinisch notwendige Therapien ggf. von den Kostenträgern erstattet werden sollten), erörterte Uwe Lange von der Abt. Rheumatologie, klinische Immunologie, physikalische Medizin und Osteologie der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim auf dem 12. Rheumatologie-Update-Seminar am 17. und 18. März 2017 in Wiesbaden.
Durch die rasanten therapeutischen Erfolge teurer „Disease-modifying antirheumatic Drugs“ (DMARD‘s) und der Biologika (sog. Antizytokintherapeutika) in den letzten 20 Jahren hat sich die Bedeutung der physikalischen Medikation zwei wesentlichen Herausforderungen zu stellen:
Zum einen ist es notwendig, nicht mehr allein auf Tradition und Erfahrung zu setzen, sondern dem Anspruch der modernen evidenzbasierten Medizin – soweit überhaupt möglich – Rechnung zu tragen und somit entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse und Wirksamkeitsnachweise zu erbringen.
Zum anderen bleibt in einer Zeit zunehmender Budgetierung bei gleichzeitig steigenden Medikamentenkosten kaum finanzieller Spielraum, sodass auf ökonomisch wirtschaftliche Verordnung zu achten ist.
Trotz deutlicher Fortschritte der medikamentösen Behandlung in den letzten Jahren kommt es bei etwa 30 % bis 40 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis zu alltagsrelevanten Einschränkungen der Funktionsfähigkeit und der Teilhabe am sozialen Leben, zu Arbeitsunfähigkeit und/oder Minderung der Erwerbsfähigkeit. Insbesondere für bewegungstherapeutische Verfahren sowie andere funktionsorientierte Interventionen haben randomisierte kontrollierte Studien, systematische Reviews und Meta-analysen in den letzten Jahren die Evidenz der Wirksamkeit sowohl nach klinischen Befunden als auch „Patient-reported Outcomes“ gestärkt.
Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört der nachgewiesene Nutzen kardiovaskulärer Trainingsprogramme bei stabiler rheumatoider Arthritis hinsichtlich Schmerz, Anzahl geschwollener Gelenke, Alltagsfunktion und Lebensqualität ohne unerwünschte Wirkungen wie vermehrte Entzündungsaktivität oder Gelenkschwellungen. In einer aktuellen deutschen Übersichtsarbeit von Mau werden die neuen Evidenzaspekte wie folgt dargestellt:
Physiotherapie der Hände bei rheumatoider Arthritis: Kraft, Beweglichkeit und Funktion werden verbessert, ohne Risiko für Schmerzen und entzündliche Aktivität. Ein theoretisch gut fundiertes und detailliertes Programm ist nicht nur klinisch wirksam, sondern auch kosteneffektiv.
Sport- und Trainingstherapie: Bei Spondyloarthritiden sind zahlreiche klinische Verbesserungen zu erreichen. Professional supervisiertes Gruppentraining ist effektiver als zuhause durchgeführte Übungen. Bewegungstherapie zusätzlich zu Tumornekrosefaktor--Blockern führt zu größerer Beweglichkeit und geringerer klinischer Krankheitsaktivität als die ausschließliche Biologikatherapie. Aerobes Ausdauertraining reduziert die Erschöpfung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis.
Schienenversorgung der Hände bei rheumatoider Arthritis: Schmerzen und Handkraft werden durch Arbeits- und Lagerungsschienen verbessert. Die Entwicklung von Deformierungen wird durch Lagerungsschienen günstig beeinflusst.
Kältetherapie bei rheumatoider Arthritis: Kryotherapie in lokaler Anwendung und Ganzkörperapplikation führen kurzfristig zur Reduktion von Schmerzen und Entzündungsaktivität.
Diese Arbeit zeigt, dass sich mit befundorientierten Therapieplänen gute Effekte bei Rhema erzielen lassen, kommentierte Lange. Leider werde dieses Potenzial häufig im Praxisalltag nicht genügend ausgeschöpft.
Weitere „Safety Studies“ sowie Studien zu Wirksamkeit und Dosisfindung in Bezug auf physikalische Therapiemaßnahmen seien bei den rheumatologischen Krankheitsbildern wünschenswert. Ebenso fehlen Studien zu möglichen medikamentösen Dosiseinsparungen durch intensivierte physikalische Maßnahmen, um Patienten bestmöglich zu behandeln.
(Mau W: Evidenzbasierte Physikalische Therapie bei rheumatischen Krankheiten. Dtsch med Wochenschr (2016), 141: 1470–1472)
G.–M. Ostendorf, Wiesbaden