Sexuell übertragbare Erkrankungen wie Syphilis oder HIV treten bei Flüchtlingen genauso häufig auf wie unter der deutschen Bevölkerung. Die Ärzte diagnostizieren laut Berichten in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ jedoch vereinzelt Erkrankungen, die hierzulande in Vergessenheit geraten sind – zum Beispiel das Läuserückfallfieber.
Alle Flüchtlinge, die in den letzten Jahren nach Deutschland gereist sind, werden medizinisch untersucht. Ein Standardverfahren gibt es bislang nicht. Zur Aufnahmeuntersuchung gehört jedoch eine Röntgenuntersuchung der Lunge, um eine Tuberkulose zu erkennen, sowie Bluttests auf häufige Infektionen. In Norddeutschland wurde den Flüchtlingen im August 2015 auch ein Test auf Syphilis und HIV angeboten. Wie Alexandra Jablonka von der Medizinischen Hochschule Hannover in der DMW mitteilt, waren nur ein Mann mit dem Erreger der Syphilis und zwei Frauen mit HIV infiziert. Die beiden sexuell übertragbaren Erkrankungen sind damit unter Flüchtlingen nicht häufiger verbreitet als unter der einheimischen Bevölkerung. Jablonka hält deshalb ein generelles Screening aller Fluchtlinge auf HIV und Syphilis für nicht gerechtfertigt.
Andreas Wieser und Michael Seil-maier von der LMU Ludwig-Maximilians-Universitat in Munchen berichten in der DMW über das sogenannte Rückfallfieber. Dabei unterscheidet man zwischen dem Zecken- und dem Läuserückfallfieber. Das Zeckenrückfallfieber tritt vor allem bei Touristen auf. Das Läuserückfallfieber war im 1. und 2. Weltkrieg häufig verbreitet. Weltweit erkrankten damals mehrere Millionen Menschen, von denen viele starben. In Deutschland wird die Erkrankung heute nur noch selten beobachtet. Aktuell tritt es in den gebirgigen Gebieten Ostafrikas und eventuell im Sudan auf.
Aus diesen Ländern kamen mehrere Flüchtlinge, die am Krankenhaus Schwabing in München wegen eines Rückfallfiebers behandelt wurden. Einige waren so heftig erkrankt, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Ein Patient konnte trotz Einsatz massiver intensivmedizinischer Therapie nicht gerettet werden und starb. Die Flüchtlinge hatten die Bakterien durch Körperläuse erworben, weshalb die Erkrankung auch als Läuserückfallfieber bezeichnet wird. Insgesamt wurden in Bayern bis Dezember letzten Jahres 42 Fälle diagnostiziert.
Die Infektion erfolgt durch das Zerquetschen der Läuse beim Kratzen, berichtet Wieser. Die freigesetzten Bakterien gelangen über die zerkratzte Haut ins Blut, wo sie sich rasch vermehren. Der erste Fieberschub tritt nach vier bis acht Tagen auf. Da die meisten Flüchtlinge auf ihrem Weg bis nach Deutschland länger unterwegs sind, hält es Wieser für ausgeschlossen, dass sie sich in ihrer Heimat infizierten. Wahrscheinlicher sei eine Infektion in Libyen, wo viele Flüchtlinge vor der Überfahrt über das Mittelmeer auf engem Raum zusammenleben. Um eine Ausbreitung in Deutschland zu verhindern, sollten alle Fluchtlinge mit Herkunft Horn von Afrika nach der Ankunft sofort ihre Kleidung wechseln und bei mindestens 60 Grad waschen, rät der Experte.
(Mossner J: Erstaufnahmeuntersuchungen bei Fluchtlingen – Viele Fragen bleiben offen, DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (2016), 141: 1007;
Wieser A et al.: Ruckfallfieber – Eine fast vergessene Erkrankung ist wieder aktuell, DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (2016), 141: 1009–1013;
Jablonka A et al.: Niedrige Seropravalenz von Syphilis und HIV bei Fluchtlingen in Deutschland im Jahr 2015, DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (2016), 141: e128–e132;
Seilmaier M: 25 Falle von Lauseruckfallfieber bei Fluchtlingen aus Ostafrika, DMW Deutsche Medizinische Woche (2016) 141: e133–e142)
Thieme Presseservice