Egle U. T., Kappis B., Schairer U., Stadtland C. (Hrsg.):
2014, 256 S., München, Elsevier GmbH, Urban & Fischer. € 69,99
ISBN 978-3-437-23266-4
Dass sich ein ganzes Buch mit nur einem isolierten Thema, der Begutachtung chronischer Schmerzen, beschäftigt, mag auf den ersten Blick überraschen. Angesichts der Tatsache, dass krankheitsbedingte Frühberentungen in Deutschland zu mehr als der Hälfte in unmittelbarem oder mittelbaren Zusammenhang mit Schmerzen stehen, besitzt ein solches Werk jedoch sehr wohl Berechtigung.
Das übersichtlich gestaltete Buch ist in neun Kapitel mit unterschiedlichem Umfang gegliedert, die Einfarbigkeit erscheint nicht mehr ganz zeitgemäß, dürfte jedoch dem relativ günstigen Preis geschuldet sein. Nach einer kurzen und prägnanten Einführung in die Neurobiologie des Schmerzerlebens folgen Kapitel über wichtige Gutachtengrundlagen, die ICF-Klassifikation und die Problematik der Begutachtung von Menschen mit Migrationshintergrund. Der zweite Teil umfasst dann eine Darstellung schmerzrelevanter Krankheitsbilder. Man mag hier bemängeln, dass viele Themengebiete nur angerissen werden. Angesichts des Ziels einer möglichst vollständigen Abbildung aller mit Schmerzen einhergehenden Störungsbilder bei gleichzeitig überschaubarer Seitenzahl war dies jedoch sicherlich kaum anders zu lösen. Hilfreich sind dabei die zahlreichen Fallbeispiele, die allerdings manchmal nicht ganz klar über das behandelte Rechtsgebiet und die gutachtliche Fragestellung Aufschluss geben.
Die nachfolgenden Kapitel beschreiben sehr klar und übersichtlich das „Handwerkszeug“ der Begutachtung chronischer Schmerzen und den formalen Ablauf derartiger Begutachtungen. Einziger Kritikpunkt hierbei ist das stark auf psychologische Fragen begrenzte Gebiet der Erkennung nicht authentischer Schmerzen. Hier wäre wünschenswert gewesen, dass auch klinische Tests zur Beschwerdenvalidierung Eingang gefunden hätten.
Die letzten Teile des Buchs widmen sich den gutachtlich zu beachtenden Besonderheiten in den verschiedenen Rechtsgebieten. Besonders hervorzuheben ist dabei das Kapitel über die Anforderungen an „Schmerzgutachten“ aus Sicht des Sozialrichters, das wichtige praktische Hinweise für den Gutachter enthält, ergänzt durch Hinweise zur Liquidation von Gutachten. Praktische Bedeutung kommt auch dem Anhang zu, der die AWMF-Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen sowie den Deutschen Schmerzfragebogen im Originaltext enthält. Etwas spärlich ausgefallen ist demgegenüber das Stichwortverzeichnis, das man sich umfangreicher gewünscht hätte. So wird hier z.B. das gutachtlich durchaus wichtige Medikamentenmonitoring gar nicht aufgeführt.
Zusammenfassend handelt es sich um ein in jeder Hinsicht lesenswertes Buch, das für den ärztlichen Sachverständigen bei der täglichen Arbeit eine wichtige Hilfe darstellt. Lesenswert erscheint es jedoch auch für Richter und Mitarbeiter der gesetzlichen und privaten Rentenversicherung, die damit Einblick in die Frage „guter“ Gutachten gewinnen.
B. Widder, Günzburg