Das alleinige Vorliegen einer rheumatischen Erkrankung bedingt noch kein eindeutiges Risiko für die Infektion mit SARS-CoV-2 oder einen schweren Verlauf. Allgemeine Risiken wie Alter und Vorerkrankungen gelten dabei auch für Rheumapatienten. Bestimmte Medikamente können aber, zum Teil dosisabhängig, das Risiko erhöhen.
Da in eigenen und internationalen Untersuchungen immer wieder auch die Krankheitsaktivität einer (entzündlich-)rheumatischen Erkrankung einen relevanten Risikofaktor für COVID-19 darstellte, wurde schnell klar, dass es nicht ratsam ist, aus Angst vor COVID-19 die antirheumatische Medikation zu reduzieren oder gar abzusetzen. Eine gut eingestellte rheumatische Erkrankung unter einer gut wirksamen und verträglichen Therapie ist ein besserer Schutz vor COVID-19 als eine ohne ausreichende Therapie schlecht kontrollierte Erkrankung!
Dass auch und gerade Rheumapatienten sich impfen lassen sollen, war schon vor der Pandemie Credo der deutschen Rheumatologie. Die Angst, durch Impfungen einen Schub rheumatischer Erkrankungen auszulösen, ist unbegründet, auch im Hinblick auf die neuen mRNA-Impfstoffe. Dass diese gut verträglich und wirksam sind, konnten deutsche Forschergruppen mit als Erste weltweit belegen, berichtet Specker.
Die Aktivierung des Immunsystems im Rahmen einer Impfung führt – wie auch schon von früheren Impfungen bekannt – manchmal zu einer leichten, vorübergehenden Aktivierung einer rheumatischen Erkrankung. Zu richtigen „Schüben“, die zudem mit einer Therapieanpassung schnell beherrschbar sind, kommt es nur in deutlich weniger als einem Prozent der Corona-Impfungen bei Rheumapatienten. Die allgemeine Verträglichkeit der Impfung war dabei sogar noch besser als in der Normalbevölkerung (erklärbar durch die antirheumatische Medikation, welche auch normale Impfreaktionen wie Schmerzen an der Injektionsstelle oder Muskelschmerzen unterdrücken hilft).
Bestimmte immunmodulierende Medikamente, die bei Rheumaerkrankungen oft eingesetzt werden, können allerdings die Impfantwort abschwächen oder sogar stark unterdrücken. Hier haben ebenfalls wieder viele wissenschaftliche Untersuchungen der letzten zwei Jahre mehr Klarheit gebracht: Cortison unterdrückt die Impfantwort nur in mittleren und hohen Dosierungen, Methotrexat nur gering und eher altersabhängig.
Auch unter Medikamenten, welche den Impferfolg nicht direkt beeinträchtigen, hat man bei Rheumapatienten einen schnelleren Abfall der Impftiter festgestellt. Hierbei ist aber nicht klar, ob die Höhe des Impftiters (SARS-CoV-2-Antikörper) eine verlässliche Aussage zum Impfschutz erlaubt. Besonders wichtig scheint deshalb für Rheumapatienten die Booster-Impfung gegen COVID-19 zu sein, da hierunter wieder eine besonders deutliche Impfantwort festzustellen ist, betonte Specker.
Sehr spezielle Situationen ergeben sich bei Patienten mit Immundefekten, die zum Teil angeboren sein können, zum Teil erst im Laufe des Lebens auftreten oder im Rahmen bestimmter Therapien, die in der Rheumatologie eingesetzt werden (wie zum Beispiel mit Rituximab). Hier sind spezielle immunologische Kenntnisse erforderlich, um festzulegen, ob und wann eine Impfung Sinn macht und wann die neu verfügbaren Medikamente (antivirale Substanzen, monoklonale Antikörper) gegen COVID-19 bei solchen Patienten sinnvoll einzusetzen sind.
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden