Die Pandemie steht derzeit so sehr im Zentrum des öffentlichen Lebens, dass viele Menschen offenbar dazu neigen, aktuelle Gesundheitsbeschwerden auf eine vorherige Infektion mit SARS-CoV-2 zurückzuführen. Dass Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Angstzustände und Depressionen auch andere Ursachen haben können, wird häufig nicht in Betracht gezogen.
Von 26.823 Teilnehmern der Constances-Studie, einer Internetumfrage zum Gesundheitsszustand der französischen Bevölkerung, gaben 914 an, dass sie bereits an COVID-19 erkrankt waren. Ein Bluttest auf Antikörper bestätigte dies jedoch nur bei 453 Personen.
Die Personen waren auch nach ihrem aktuellen Gesundheitszustand befragt worden. Unter Abgeschlagenheit (Fatigue) litten 13,8 % der Personen, deren Annahme einer früheren Erkrankung durch ein positives Ergebnis im Antikörpertest bestätigt wurde. Über dasselbe Symptom klagten jedoch auch 12,6 % der Personen, bei denen der Antikörpertest die eigene Annahme einer früheren Erkrankung nicht bestätigte.
Von den Personen, die meinten, noch nicht an COVID-19 erkrankt gewesen zu sein und bei denen der Antikörpertest negativ ausgefallen war, litten nur 2,5 % unter einer Fatigue. Aber auch bei einem positiven Antikörpertest war das Symptom Fatigue mit einer Häufigkeit von 3,5 % relativ selten. Diese Personen ahnten nicht, dass sie bereits an COVID-19 erkrankt waren.
Bei den meisten anderen COVID-19-Symptomen war es ähnlich. Das Team um Cédric Lemogne vom Service de Psychiatrie de l’adulte am Hôpital Hôtel-Dieu in Paris fand bei 15 von 18 möglichen Long-COVID-Symptomen eine signifikante Assoziation mit der subjektiven Überzeugung, bereits einmal an COVID-19 erkrankt gewesen zu sein. Die Odds Ratios reichten (in einer adjustierten Analyse, die Alter, Geschlecht, Ausbildung und Einkommen berücksichtigte) von 1,39 für Muskelschmerzen bis 16,37 für eine Anosmie. Ein positives Testergebnis war in der adjustierten Analyse nur mit einer Anosmie assoziiert (Odds Ratio 2,72).
Lemogne kritisiert, dass viele Studien zu Long COVID keine Vergleichsgruppe haben und die Symptome ungeprüft mit einer früheren Infektion in Verbindung bringen.
Links zum Thema
Abstract der Studie in JAMA Internal Medicine
Constances-Studie
aerzteblatt.de
Wie SARS-CoV-2 Gefäße im Gehirn schädigt
Post COVID: Studie findet keine Hinweise auf Myokarditis bei Kindern
Post COVID: Viele Genesene haben Schwächen in kognitiven Tests
Pressemitteilung © rme/aerzteblatt.de