CTLA4 und PD1 bzw. PDL1 als therapeutische Targets der Immuncheckpoint-Inhibition sind aus der Therapie maligner Tumoren nicht mehr wegzudenken; aktuell werden die hämatologischen und onkologischen Tagungen dominiert durch immuntherapeutische Studienergebnisse, berichtete Hans-Georg Kopp vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart auf dem 13. DGIM-Internisten-Update-Seminar am 9. und 10. November 2018 in Mainz.
Mit der Einführung des gegen CTLA4 gerichteten Antikörpers Ipilimumab im Jahre 2011 zur Therapie des metastasierten malignen Melanoms begann die rasante Entwicklung von Immuntherapeutika in der Onkologie. Mittlerweile sind auch zwei PD1-blockierende Antikörper (Nivolumab und Pembrolizumab) sowie drei PDL1-blockierende Antikörper (Atezolizumab, Avelumab und Durvalumab) im therapeutischen Alltag angekommen.
Allerdings sind bei dieser Therapie typische Nebenwirkungen, genauer immunvermittelte unerwünschte Arzneimittelwirkungen (immune-related Adverse Events; irAEs) als Ausdruck der Organmanifestationen neu entstandener oder verstärkter Autoimmunität zu beobachten. IrAEs können zu jedem Zeitpunkt während oder auch nach Beendigung der Tumorimmuntherapie auftreten. In ca. 10 % der mit anti-PD1-Antikörpern behandelten Patienten muss mit dem Auftreten behandlungsbedürftiger irAEs gerechnet werden. So entstehen unter Ipilimumab häufiger und schwerere irAEs als unter PD1- oder PDL1-Blockade.
Zwar sind höhergradige irAEs unter einer Monotherapie mit PD1-Inhibitoren relativ selten, doch werden aufgrund der insgesamt guten Verträglichkeit häufig Patienten behandelt, denen eine Zytostatikatherapie nicht zugemutet werden würde, erklärte Kopp. In der Thoraxonkologie sind das vor allem alte Patienten mit kardiovaskulärer und/oder pulmonaler Komorbidität. Diese Patienten tolerieren irAEs der Lungen (Pneumonitis), des Gastrointestinaltraktes (hämorrhagische Kolitis), des Endokrinums (Schilddrüsen-bzw. Nebennierenfunktionsstörungen) sowie des Herzens (Kardiomyopathie) besonders schlecht.
In einer aktuellen Metaanalyse zu irAEs mit tödlichem Ausgang wurde erstmals im größeren Maßstab systematisch zur Häufigkeit schwerster Immunreaktionen publiziert. Die Autoren analysierten eine Pharmakovigilanz-Datenbank der WHO (Vigilyze) sowie die Patientenakten von sieben universitären Krebszentren.
In Vigilyze waren 613 Todesfälle (2009 bis Januar 2018) registriert. Die Immuntoxizität war abhängig von der Therapie. Unter CTLA4-Inhibitoren traten 193 Todesfälle auf, davon 70 % aufgrund einer Kolitis. Unter PD1- oder PDL1Inhibitoren waren Pneumonitiden (35 %), Hepatitiden (22 %) und neurotoxische Effekte (15 %) am häufigsten. Bei Kombination beider Wirkprinzipien wurden die Todesfälle verursacht durch Kolitiden und Myokarditiden. Die Todesfälle traten sehr früh auf: Im Median bereits nach 14 Tagen unter Kombitherapie bzw. nach 40 Tagen unter der jeweiligen Monotherapie. Die gefährlichste Einzel-irAE war die Myokarditis mit einer Sterblichkeit von knapp 40 % (52 von
131 Fällen).
In den akademischen Zentren wurden 3.545 Patienten ausgewertet. Die Mortalitätsrate von irAEs betrug 0,6 %, wobei besonders kardiale und neurologische Toxizitäten häufiger tödlich verliefen (43 %). Die mediane Zeit vom Symptombeginn bis zum Todeseintritt betrug 32 Tage. Eine Meta-Analyse von 112 Studien mit insgesamt 19.217 Patienten zeigte Mortalitätsraten von 0,36 % (anti-PD1), 0,38 % (anti-PDL1), 1,08 % (antiCTLA4) und 1,23 % (PD1/PDL1 plus CTLA4).
Diese größte bisher publizierte Auswertung zur Mortalität von irAEs zeigt zwar eine beruhigend niedrige Inzidenz, kommentierte Kopp. Gleichzeitig weise sie auf den erstaunlich frühen Eintritt schwerster Nebenwirkungen von Immuntherapien hin und unterstreiche die Vielgestaltigkeit von irAEs sowie die Notwendigkeit interdisziplinären Vorgehens in der Diagnostik und Therapie von Immuntoxizität.
(Wang DY, Salem J, Cohen JV et al.: Fatal toxic effects associated with immune checkpoint inhibitors: A systematic review and meta-analysis. JAMA Oncology. 2018; DOI: 10.1001/jamaoncol.2018.3923)
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden