Eine Übersichtsarbeit hat sich letztes Jahr des derzeitige Wissenstandes bezüglich der Ätiologie, der Komorbidität und der Risikofaktoren von dissoziativen Anfällen angenommen. Deren Inhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:
· Dissoziative Anfälle sind Anfälle mit Bewusstseinstrübung und Verlust der motorischen Kontrolle, deren Semiologie immer wieder leicht mit der Semiologie von epileptischen Anfällen verwechselt werden kann.
· Dissoziative Anfälle sind das Ergebnis einer komplexen und heterogenen neurokognitiven Fehlverarbeitung, die auch eine abnorme Antwort auf Stress und emotionale Verarbeitungsmechanismen umfasst.
· Psychiatrische Komorbidität ist häufig, wie Depression, Angststörung, posttraumatische Belastungsstörung sowie Borderline-Persönlichkeit.
· Eine Anamnese von Traumata oder übermäßigem Stress ist häufig, aber nicht zwingend notwendig.
· Eine komorbide Epilepsie, die dann in aller Regel ihren Beginn vor der Manifestation der dissoziativen Anfälle hatte, liegt in ca. 10 % der Erwachsenen und bis zu 30 % der Kinder mit dissoziativen Anfällen vor.
· Die Behandlung der dissoziativen Anfälle muss auch die zugrunde liegenden Risikofaktoren und Komorbidität adressieren.
Insgesamt haben dissoziative Anfälle eine deutlich schlechtere Prognose als Epilepsien: Während nach 5 bis 10 Jahren ca. 2/3 aller Patienten mit Epilepsie anfallsfrei sind, ist dies nur bei 1/3 der Betroffenen mit dissoziativen Anfällen der Fall. Risikofaktoren für persistierende Anfälle sind höheres Lebensalter bei Manifestation der Anfälle und hohe Introspektionsneigung neben dem Ausmaß der psychiatrischen Komorbidität, wie aktuelle Studien zeigen, so Hamer ergänzend.
Popkirov S, Asadi-Pooya AA, Duncan R, Gigineishvili D, Hingray C, Kanner AM, LaFrance Jr WC et al.: The aetiology of psychogenic non-epileptic seizures: Risk factors and comorbidities. Epileptic Disord 2019; 21: 529-547
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden