In den vergangenen Jahren wurden in zahlreichen Studien Risikofaktoren für Suizidalität bei Menschen mit bipolarer Störung identifiziert. Um dieses theoretische Wissen in die alltägliche Praxis zu überführen, entwickelten Goldstein et al. einen sogenannten „Risiko-Rechner“. Dieses klinische Werkzeug soll die Schätzung des individuellen Risikos für Suizidversuche in den nächsten 12 Monaten eines jungen Menschen mit bipolarer Störung erleichtern und so klinische Entscheidungen im Behandlungsverlauf unterstützen.
Zu diesem Zwecke analysierten die Autoren Verlaufsdaten über ca. 13 Jahre von 394 jungen Menschen mit bipolarer Störung im Alter von 7 bis 17 Jahren (COBY-Studie). In dieser Zeit berichteten 106 Betroffene von insgesamt 249 Suizidversuchen.
Von ursprünglich 18 angenommenen, aus vorheriger Forschung identifizierten Risikoprädiktoren konnten folgende zehn Faktoren das Verhalten der jungen Betroffenen in den nächsten 12 Monaten zu mindestens 90 % richtig vorhersagen:
· junges Alter bei Beginn der bipolaren Störung
· selbstverletzendes Verhalten in den vergangenen 6 Monaten
· höheres Alter zum Zeitpunkt der Schätzung
· psychotische Symptome in den vergangenen 6 Monaten
· niedriger sozioökonomischer Status
· starke Ausprägung depressiver Symptome in den vergangenen 6 Monaten
· Suizidversuche in den vergangenen 6 Monaten
· Suizidversuche in der Familie
· Missbrauch von Drogen in den vergangenen 6 Monaten
· physischer/sexueller Missbrauch in der Vergangenheit
Goldstein, T.R., Merranko, J., Hafeman, D. et al. (2022). A risk calculator to predict suicide attempts among individuals with early-onset bipolar disorder. Bipolar Disord 7, 749–757
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden