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“Never Events“: Was bei Operationen nie passieren dürfte

„Never Events“ sind schwerwiegende, prinzipiell vermeidbare Zwischenfälle, die nach dem Stand der Wissenschaft und bei entsprechenden Vorsorgemaßnahmen nie vorkommen sollten, erklärte Prof. Dr. Fritz Fiedler von der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am St. Elisabeth-Krankenhaus in Köln-Hohenlind auf dem 8. Anästhesie-Update-Seminar am 3. und 4. März 2017 in Mainz. Hierzu zählen v. a. „Operation des falschen Patienten“, „Operation der falschen Seite bzw. des falschen Organs“, „Verwendung eines falschen Implantats/einer falschen Prothese“ und das „Belassen von Fremdkörpern im OP-Gebiet“.

In einer britischen Studie wurden die Daten englischer NHS Trust-Krankenhäuser der Jahre 2011 bis 2014 bezüglich der Frage ausgewertet, wie häufig operative „Never Events“ in englischen Krankenhäusern vorkommen [1]. Die Autoren fanden insgesamt 742 operative „Never Events“, wobei die Anzahl gleichmäßig über die drei Jahre verteilt war. Das Risiko eines „Never Events“ betrug 1 : 16.423 Operationen bzw. 1 „Never Event“ pro 12,9 Operationssäle pro Jahr. Das Risiko schwerwiegender Schäden durch einen „Never Event“ betrug ungefähr 1 : 238.939 Operationen.

Die Autoren folgern aus ihren Daten, dass operative „Never Events“ zwar von großer Bedeutung für den betroffenen Patienten sind, sich aber wegen des seltenen Vorkommens nicht als Qualitätsmarker eignen.

Eine zweite Studie untersuchte das Auftreten von „Never Events“ mittels US-amerikanischer Daten aus dem Datenpool des National Inpatient Sample [2]. Als „Never Events“ waren neben „Operation der falschen Seite bzw. des falschen Organs“, „Verwendung eines falschen Implantats/einer falschen Prothese“ und des „Belassens von Fremdkörpern im OP-Gebiet“ Stürze im Krankenhaus, Dekubitalulzera Grad 3 und 4, Katheter-assoziierte Harnwegsinfekte, Infektionen von Gefäßzugängen, Komplikationen einer schlechten Blutzuckereinstellung und Fehltransfusionen definiert.

267.737 Datensätze gefäßchirurgischer Patienten aus den Jahren 2003 bis 2011 wurden analysiert; dabei fanden sich 774 „Never Events“. Die Prävalenz betrug nach Bauchaortenchirurgie 0,58 % (112 Fälle von 19.247 Datensätzen), nach peripherem Gefäßbypass 0,48 % (307 Fälle von 63.349 Datensätzen) und nach Karotischirurgie 0,19 % (355 Fälle von 185.138 Datensätzen). Am häufigsten fanden sich Stürze in 454 Fällen und Dekubitalulzera Grad 3 und 4 in 143 Fällen. Katheter-assoziierte Harnwegsinfektionen wurden in 67 Fällen, Gefäßkatheterinfektionen in 49 Fällen, eine schlechte Blutzuckereinstellung in 37 Fällen und das Belassen von Fremdkörpern im Operationsgebiet in 31 Fällen beschrieben.

Patienten, die ein „Never Event“ erlitten hatten, hatten in dieser amerikanischen Studie ein erhöhtes perioperatives Mortalitätsrisiko (Odds Ratio 2,7), einen verlängerten Krankenhausaufenthalt und verursachten signifikante Mehrkosten.

Es gibt Dinge, die nie geschehen dürfen – und in der Medizin auch von Patient und Gesellschaft zu Recht nicht toleriert werden, kommentierte Fiedler diese Daten. Und dennoch passieren solche Ereignisse und zwar in relevanter Anzahl, wie beide Studien zeigen. Er kritisierte die Meinung der Autoren der ersten Studie, wonach „Never Events“ als seltene, zufällige Ereignisse anzusehen seien. Angesichts der Tatsache, dass zur Definition von „Never Events“ die Vermeidbarkeit des Ereignisses bei sachgerechter Vorgehensweise gehört, würde er dies nicht so abtun. Jedes „Never Event“ sei eines zu viel, und die beteiligten Ärzte müssen alles daran setzen, „Never Events“ zu vermeiden, wozu sie auch entsprechende Instrumente haben, z. B. die WHO-Checkliste.

Literatur

1Moppett IK, Moppett SH: Surgical caseload and the risk of surgical Never Events in England. Anaesthesia (2016), 71: 17–30

2Shah NK, Farber A, et al. Occurrence of “never events” after major open vascular surgery procedures. J Vasc Surg (2016), 63: 738–745

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden